Sind Magic Mushrooms die Antwort auf Opioid-Abhängigkeit?

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Sind Magic Mushrooms die Antwort auf Opioid-Abhängigkeit?

Psilocin, das aktive Alkaloid in Magic Mushrooms, wird gerade daraufhin untersucht, ob es Menschen helfen kann, die unter verschiedenen Abhängigkeiten leiden. Die westliche Welt erlebt eine Krise der grassierenden Abhängigkeit von synthetischen Opioiden – könnten Magic Mushrooms womöglich helfen, den Teufelskreis endlich zu durchbrechen?

Wusstest Du, dass die Einnahme von Magic Mushrooms vielleicht noch viel mehr bewirken kann, als Dir ein High zu bescheren? Die Erforschung von Psilocin (der pharmakologisch wirksamen Version von Psilocybin) deutet darauf hin, dass es womöglich bestimmte Bahnen im Gehirn freischalten kann, die Patienten bei der Bekämpfung einer Suchterkrankung unterstützen. Könnten in einer Zeit, in der die Opioid-Abhängigkeit mehr Leben als Heroin kostet, Magic Mushrooms der Schlüssel zur Bewältigung der Opioid-Krise sein? Lies weiter, um es herauszufinden.

DIE OPIOID-KRISE VERSTEHEN

Mittlerweile ist klar, dass die ganze Welt mit einer Opioid-Epedemie konfrontiert ist. Millionen Menschen leiden unter Schmerzen, egal, ob akuter oder chronischer Natur, und viele Staaten überall auf der Welt haben für sich entschieden, dass der beste Weg zur Behandlung von Schmerzen der Einsatz von Opioidanalgetika ist.

2012 erreichten die Opioid-Verschreibungen in den USA ihren traurigen Allzeithoch und US-amerikanische Ärzte verschrieben sie Patienten in unglaublichen 80 von 100 Fällen. Damit stellten US-Mediziner allein in diesem Jahr über 255 Millionen Rezepte für opioidhaltige Medikamente aus.

Glücklicherweise begannen diese Zahlen auch wieder zu sinken. 2017 betrug die Verschreibungsrate dieser Drogen 58,7 Rezepte pro 100 Patienten und erreichte damit ihren niedrigsten Stand seit 10 Jahren. Nichtsdestotrotz wurde auch bei dieser Quote noch jedem zweiten US-Amerikaner Opioide verschrieben.

Dieser verschreibungsfreudige Ansatz bescherte Millionen von Amerikanern eine lähmende Abhängigkeit. Laut den Ergebnissen einer 2015 durchgeführten Umfrage zu Medikamentenkonsum und Gesundheitsthemen (“National Survey on Drug Use and Health”), leiden über zwei Millionen Menschen unter einer Abhängigkeit von verschriebenen Schmerzmitteln. Im selben Jahr zeigte sich Heroin für “nur” 591.000 Abhängige verantwortlich.

Heute ist eine Überdosis von Drogen oder Medikamenten die häufigste Ursache von Unfalltodesfällen in den USA. 2015 starben über 52.000 Amerikaner an einer Drogenüberdosis. Von diesen Todesfällen gingen über 20.000 auf das Konto verschriebener Schmerzmittel.

Derselbe Trend beginnt sich auch in Europa abzuzeichnen, wenn auch auf bedeutend niedrigerem Niveau (man nimmt an, dass 80% der weltweiten Opioid-Produktion in Nordamerika konsumiert wird).

DAS PROBLEM MIT OPIOIDANALGETIKA

Das Problem Mit Opioidanalgetika

Opioidanalgetika wie Oxycodon, Hydrocodon, Codein, Morphium und Fentanyl weisen viele Unzulänglichkeiten auf. Doch einer ihrer größten Nachteile ist, dass sie stark suchtbildend sind. Selbst wenn sie wie vom Arzt verschrieben eingenommen werden, können diese Medikamente schnell dazu führen, dass ein Patient eine Toleranz, eine Abhängigkeit und letztendlich eine Sucht entwickelt.

Wenn Opioide in den Blutkreislauf gelangen, lösen sie eine deutlich gesteigerte Endorphin- und Dopamin-Signalgebung aus. Eine Steigerung dieser Chemikalien löst abhängig davon, welche Gehirnregionen genau beeinflusst werden, nicht nur eine Verringerung der Schmerzwahrnehmung, sondern auch eine starke Euphorie aus, da die Drogen mit den Belohnungszentrum im Gehirn interagieren. Und wenn Opioide diese Belohnungszentren simulieren, lernt das Hirn, dass es diese Drogen immer wieder haben möchte. Zu diesem Zeitpunkt ist ein Patient bereits dem Risiko ausgesetzt, eine Abhängigkeit oder Sucht zu entwickeln.

ABHÄNGIGKEIT VERSTEHEN

Abhängigkeit Verstehen

Abhängigkeit ist ein komplizierter Prozess, der bereits seit Jahren im Fokus zahlreicher akademischer Studien steht. Heute wissen wir, dass eine Abhängigkeit durch Veränderungen im Belohnungszentrum des Gehirns und damit in einem komplexen und hauptsächlich durch den Neurotransmitter Dopamin vermittelten System entsteht.

Dopamin wird immer dann freigesetzt, wenn unser Hirn der Meinung ist, wir sollten uns an ein bestimmtes Ereignis oder Gefühl erinnern; wie zum Beispiel an die Euphorie, die wir durch Medikamente wie Opioidanalgetika erleben. Der von opioidhaltigen Arzneien verursachte starke Anstieg des Dopamin-Spiegels sorgt nicht nur dafür, dass wir uns an das durch das Medikament erlebte High erinnern, sondern ermutigt uns auch dazu, dieses High künftig erneut erleben zu wollen. Im Wesentlichen wird dies als Verlangen bezeichnet.

Wenn wir dem Verlangen nachgeben, erleben wir ein Wohlgefühl und erneut einen sprunghaften Anstieg des Dopamin-Spiegels, was nur dazu führt, dass unser Verlangen weiter wächst. Dieses angenehme Gefühl wird von einer gesteigerten Aktivität der Neurotransmitter in hedonistischen Hotspots unseres Gehirns, wie dem ventralen Pallidum, Nucleus accumbens und Orbitofrontalkortex, verursacht.

Wenn dem Verlangen nach Opioiden immer wieder nachgegeben wird, entwickelt der Körper mit der Zeit eine Toleranz, die uns zwingt, mehr von einem Medikament zu konsumieren, um dieselbe Wirkung zu verspüren. Dabei gibt es zwei zentrale Theorien, was eine Opioid-Toleranz verursacht. Die erste stellt die These auf, dass die Opioid-Rezeptoren mit der Zeit weniger empfindlich auf ein bestimmtes Medikament reagieren, während die zweite besagt, dass der fortlaufende Opioid-Konsum womöglich durch einen als Herabregulierung bezeichneten Vorgang eine Verminderung der Opioid-Rezeptoren im Hirn verursacht.

Der fortlaufende Gebrauch von Opioiden verursacht zudem Entzugserscheinungen. Opioide wirken dämpfend, was bedeutet, dass sie auch viele physiologische Funktionen unterdrücken. Um damit umzugehen, regelt sich der Körper selbst hoch. Wenn Dein Körper sich an ein bestimmtes Medikament gewöhnt, regelt er sich präventiv zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Situationen hoch, zu denen Du das Medikament vorher verwendet hast. Wenn Du nicht unter dem Einfluss des Medikaments stehst, ist Dein Körpersystem dennoch hochgeregelt, was zu Symptomen wie Schwitzen, erhöhter Herzfrequenz, Angstgefühlen und vielem mehr führen kann.

Diese Entzugserscheinungen können so schwerwiegend sein, dass eine Person das Gefühl bekommt, ohne das Medikament nicht mehr richtig funktionieren zu können. Das ist, was wir als Abhängigkeit oder Sucht bezeichnen. Doch was sind die Gründe dafür, dass manche Leute anfälliger als andere dafür scheinen, eine Sucht nach einer bestimmten Substanz oder einem Verhalten zu entwickeln? An diesem Punkt werden die Dinge noch etwas komplizierter.

Abhängigkeit beeinflusst etwas, das Wissenschaftler das Default Mode Network (DMN, dt. Ruhezustandsnetzwerk) bezeichnen; ein Satz von Gehirnregionen, die im Ruhezustand, oder wenn wir gerade nichts Bestimmtes tun (wie zum Beispiel bei Tagträumen), aktiv ist. Studien, die die DMN-Aktivität von Heroinabhängigen und einer nicht-abhängigen Kontrollgruppe verglichen, zeigten zum Beispiel, dass Menschen mit einer Abhängigkeit eine gesteigerte Aktivität in Bereichen wie dem rechten Hippocampus zeigen, während die Aktivität im rechten dorsalen anterioren cingulären Cortex vermindert ist. Diese Unterschiede beeinflussen die Fähigkeit eines Süchtigen zur Selbstkontrolle und Erinnerungsverarbeitung, die der Kern für abhängiges Verhalten sind.

PSILOCIN IM VERGLEICH ZUR TRADITIONELLEN BEHANDLUNG VON ABHÄNGIGKEIT

Psilocin Im Vergleich Zur Traditionellen Behandlung Von Abhängigkeit

Traditionelle Behandlungen von Suchterkrankungen sind recht oberflächlich. Zur Verfügung stehende Behandlungsoptionen, die es Menschen erleichtern sollen, mit dem Rauchen aufzuhören (wie Nikotin-Kaugummis oder -Pflaster) arbeiten nach dem Prinzip der Befriedigung der Nikotin-Rezeptoren im Gehirn. Auf ähnliche Weise werden auch die Entzugserscheinungen von Opioiden manchmal mit Methadon oder Buprenorphin behandelt. Doch die Behandlung der Entzugserscheinungen ändert nicht tatsächlich etwas am Suchtverhalten. Psilocin hingegen ist anders.

Erste Untersuchungen der Johns Hopkins University School of Medicine zeigen, dass Psilocin vielleicht einen neuen Ansatz zur Behandlung von Abhängigkeiten bietet, der das Problem im Kern bekämpft.

Studien zeigen, dass das menschliche Gehirn unter dem Einfluss von Psilocin in der Lage ist, neue Verbindungen zwischen verschiedenen Hirnregionen herzustellen, die normalerweise nicht miteinander kommunizieren. Die Forscher bezeichnen dies als “Crosstalk”.

Robin Carhart-Harris, ein führender moderner Forscher im Bereich der Psychedelika und ihrem medizinischen Potential, erkannte dies bei seiner frühen Forschungsarbeit zu der Wirkung von Psilocin auf Patienten mit Depression. 2016 erklärte Carhart-Harris in einem TED-Talk, dass die Kommunikation in einem normalen Gehirn auf bestimmte Hirngemeinschaften und -regionen begrenzt ist. Unter dem Einfluss von Psilocin findet jedoch viel mehr freie und offene Kommunikation zwischen verschiedenen Teilen des Gehirns statt.

Die von Carhart-Harris und anderen Forschern in diesem Bereich durchgeführten Studien legen nahe, dass Psilocin unser Gehirn “zurücksetzen” kann. Tatsächlich verwendeten Patienten mit depressiven Episoden auch selbst die Analogie, dass Psilocin ihnen helfe, ihr Gehirn “aufzuräumen” und “neu zu starten”. Indem es diesen “Crosstalk” zwischen verschiedenen Gehirnregionen ermöglicht, kann das Psilocin womöglich helfen, bestimmte Muster der Gehirnaktivität zu löschen, die ein Suchtverhalten antreiben. Durch diese Wirkung könnte Psilocin einen weitaus ganzheitlicheren Ansatz zur Behandlung von Abhängigkeiten bieten, als nur die Entzugserscheinungen anzugehen.

ÜBER MAGIC MUSHROOMS HINAUS – ANDERE PSYCHEDELIKA ALS MEDIZIN

Psilocybin und Psilocin sind nicht die einzigen psychedelischen Verbindungen mit einer potentiellen medizinischen Anwendungsmöglichkeit. Die moderne Forschung zu Psychedelika geht bis auf die 1950er Jahre zurück, als der britische Psychiater Humphrey Osmon zuerst den Begriff “Psychedelika” prägte, indem er die beiden griechischen Begriffe “psyche” und “delos” vereinte, die “Verstand” und “offenbaren” bedeuten. Die Forschung zu psychedelischen Substanzen wie Psilocybin/Psilocin und LSD fand ihren Höhepunkt um die 1970er Jahre und nahm in den letzten fünf Jahren wieder an Fahrt auf.

Diese Forschung hat uns gezeigt, dass psychedelische Substanzen weitaus mehr als nur Partydrogen sind. Es sind mächtige Substanzen, die, wenn sie vorsichtig und mit Respekt eingesetzt werden (wie es einige Kulturen seit tausenden von Jahren tun), ganz reale, heilende Eigenschaften haben könnten.

In den 1970er Jahren veröffentlichte zum Beispiel der tschechische Psychiater Stanislav Grof die bahnbrechende Arbeit Realms of the Human Unconcious, die seine Forschung zu LSD im Detail beschreibt. In seinem Buch bescheinigt Grof Psychedelika ein “einzigartiges Potential”, als “Werkzeug zur Entdeckung des menschlichen Verstands” zu dienen. Tatsächlich ging Grof sogar so weit zu sagen, dass Psychedelika für die Psychiatrie so bedeutsam wären, wie es das Mikroskop für die Medizin oder das Teleskop für die Astronomie waren.

DIE ZUKUNFT DER PSYCHEDELISCHEN FORSCHUNG

Die Zukunft Der Psychedelischen Forschung

Die vielen Jahre der Drogenprohibition und -stigmatisierung haben es uns schwer gemacht, psychedelische Substanzen zu studieren und zu verstehen. Doch zum Glück beginnt sich das Stigma rund um diese Substanzen zu verändern, so dass sich ein neuer Weg für das Verständnis dieser Substanzen, ihrer Wirkmechanismen und vor allem ihrem medizinischen Potential öffnet.

Was Psilocin anbelangt, steckt die Forschung wirklich noch in den Kinderschuhen, doch die Dinge entwickeln sich weiter. Im September 2019 verkündete die Johns Hopkins University die Eröffnung eines Zentrums für die Erforschung von Psychedelika und des Unterbewusstseins. Das durch Spender mit 17 Millionen USD unterstützte Zentrum wird sich der Erforschung von Verbindungen wie Psilocin und LSD bei einer Reihe von psychischen Erkrankungen, einschließlich Depression, Abhängigkeit und vielem mehr widmen.

Wir mögen zwar noch immer einen weiten Weg zum vollständigen Verständnis dieser Verbindungen vor uns haben, doch Fortschritte in der Forschung können für Millionen von Menschen, die unter einer Abhängigkeit von Opioiden und anderen Drogen leiden, bedeuten, dass sie bald Zugang zu einer Behandlungsoption haben, die einen viel umfassenderen Ansatz verfolgt, als alles bisher erhältliche.