Ich-Auflösung durch Psychedelika könnte psychisch Kranken helfen

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Ich-Auflösung durch Psychedelika könnte psychisch Kranken helfen

Der durch Psychedelika hervorgerufene Bewusstseinszustand kann zu einer temporären Abwesenheit des Egos führen. Neue Untersuchungen der University of Adelaide weisen nun darauf hin, dass eine solche durch Psychedelika hervorgerufene Ich-Auflösung bei der Behandlung von Patienten mit psychischen Erkrankungen von Nutzen sein könnte.

Psychedelische Substanzen wie LSD und Zauberpilze sind dafür bekannt das Bewusstsein, die Denkprozesse, die Wahrnehmung von Raum und Zeit, die Sinneswahrnehmungen und die Emotionen zu beeinflussen. Unter all den hervorgerufenen Wirkungen ist aber die wohl provokanteste, der „Tod“ des eigenen Egos. Neue Untersuchungen weisen nun darauf hin, dass die durch Psychedelika hervorgerufene Auflösung des Egos bei der Behandlung von gewissen psychischen Erkrankungen von Nutzen sein könnte.

Die Erkenntnis, dass psychedelische Substanzen wirklich zu Veränderungen führen können, ist nichts Neues. Vor kurzem haben sich allerdings zwei australische Wissenschaftler zum Ziel gemacht, die Wirkungen von Psychedelika genauer zu erforschen und herauszufinden, was für Auswirkungen sie auf die Wahrnehmung des eigenen Ichs haben können.

Die Wissenschaftler Professor Philip Gerrans und Dr. Chris Letheby von der University of Adelaide behaupten, dass es Beweise dafür gibt, dass diese durch psychedelische Substanzen hervorgerufenen Erfahrungen für eine Behandlung von Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen und Angststörungen eingesetzt werden könnten. Die beiden Akademiker räumen ein, dass die neurochemischen Interaktionen dieser Drogen auf das Gehirn wohlbekannt sind, doch die komplexere Verbindung, wie sich dies auf das Gehirn und unser Ich-Erleben, sowie die Wahrnehmung der Außenwelt auswirkt, ist nochnicht völlig klar.

Die Veröffentlichung der beiden Wissenschaftler, die in der Zeitschrift „Neuroscience of Consciousness“ erschien, erläutert, dass diejenigen, die des öfteren Psychedelika konsumieren, eine geringere oder aufgelöste Wahrnehmung des eigenen Selbst erfahren. Einfacher ausgedrückt, kann dies als „Ich-Auflösung“ oder „Ego-Tod“ beschrieben werden.

Professor Gerrans behauptet, dass die Erfahrung der Ich-Auflösung zu einem Gefühl der erweiterten Wahrnehmung führt, in der der Geist imstande ist eine direktere Verbindung zu der Außenwelt aufzubauen. Er schlussfolgert, dass eine solche Erfahrung es ermöglicht, die eigene Wahrnehmung des Selbst zu restrukturieren, was wiederum zu einer Änderung der Weltanschauung des Individuums führen kann. In seinen Worten: „Die tiefgreifende Erfahrung der Verbundenheit könnte für Menschen mit Erkrankungen wie Süchten, Depression oder Angstzuständen möglicherweise von Nutzen sein“.

PSYCHEDELIKA HELFEN MENSCHEN MIT PSYCHISCHEN ERKRANKUNGEN, DIE DINGE ANDERS ZU SEHEN

Letherby hebt eine besondere Schwierigkeit bei der Behandlung von Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen hervor, und zwar die oft vorhandene Unfähigkeit der Patienten, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Durch den Gebrauch der Psychedelika wird dem Patienten aber ermöglicht, sich selbst und andere aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, der ihnen ansonsten vermutlich verborgen geblieben wäre.

Letherby behauptet, dass Psychedelika dabei helfen können, „die Wahrnehmung der Prozesse hinter der eigenen subjektiven Wahrnehmung aufzudecken.“ Laut ihm kann eine Ich-Auflösung dem Patienten nicht nur dabei helfen, zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die Dinge auch anders sein könnten, sie kann ihm zudem aufzeigen, dass es die tatsächliche Möglichkeit gibt, Änderungen im eigenen Leben zu vollziehen.

Diese Implikationen sind vielversprechend, insbesondere unter Anbetracht der Tatsache, dass Substanzen wie beispielsweise Psylocibin keine körperliche Abhängigkeit hervorrufen und dem Patienten dennoch die Augen für neue Möglichkeiten der Gestaltung ihres Lebens öffnen können.

Die Wissenschaftler warnen aber auch vor dem nicht überwachten und leichtsinnigen Gebrauch der Psychedelika. Professor Gerrans betont, dass in den 1950ern Untersuchungen an den psychedelischen Substanzen durchgeführt wurden; vorläufige Ergebnisse wiesen damals auf eine Eignung für die Behandlung von Alkoholismus und anderen psychischen Erkrankungen hin. Gerrans fordert nun ein Comeback solcher Studien, in denen weitere Untersuchungen im kontrollierten Rahmen durchgeführt werden. Die damalige Betrachtung von Halluzinogenen ist veraltet, modernere Studien könnten also nun dazu beitragen, die potentiell positiven Eigenschaften der Psychedelika bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen genauer zu verstehen.